Vergesellschaftung bei Kaninchen – ein Blick aus der Praxis
Warum funktioniert die Vergesellschaftung der Kaninchen bei manchen Haltern reibungslos? Nun, bei der Vergesellschaftung von Kaninchen sind grundlegende Regeln zu beachten, die das viel diskutierte Thema vereinfachen und die Vergesellschaftung erleichtern. Zunächst steht die geeignete Partnerwahl im Vordergrund.
Auf den Charakter achten!
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Wenn die Anschaffung eines neuen Familienmitgliedes erfolgt, sollte die Frage nach dem Charakter des Tieres im Focus stehen. Achten Sie primär nicht auf das Aussehen der Tiere sondern auf charakterliche Aspekte! Es muss nicht unbedingt ein Widder oder ein Rex Kaninchen sein – lassen Sie sich vom Tierheim oder der Pflegestelle beraten, welches Tier am besten zu Ihrem Liebling passt. Pflegestellen beschäftigen sich in der Pflegezeit intensiv mit den Tieren und können konkrete Aussagen zum Charakter des Vermittlungstieres machen.
Kein Frage des Alters
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Bei den Gesuchen erreichen zumeist Anfragen mit Wunsch nach einem gleichaltrigen Partnertier. An dieser Stelle unterstreiche ich, dass die Praxis zeigt, dass die Charaktere harmonisieren sollen. Das Alter ist zweitrangig! In vielen Fällen konnten wir eine potentielle Endstelle überzeugen, dass auch ein junges Tier mit dem vorhandenen Senior gut harmonieren wird. Dabei ist zu beachten, dass der Senior für sein Alter fit ist und das Jungtier unterwürfig, ausgeglichen und sich überaus ruhig verhält. Bei dieser Konstellation wird das Jungtier für den Senior ein Jungbrunnen sein. Beide werden die Welt zusammen neu entdecken – was dem älteren Tier weiteren Lebensmut schenken kann.
Dominanzverhalten
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Fall A: Zwei unterwürfige Kaninchen
Der Schlüssel zum Erfolg einer Vergesellschaftung liegt darin, ein ausgewogenes Verhältnis zu schaffen. Die günstigste Konstellation ist – zwei unterwürfige Kaninchen zu vergesellschaften. Häufig beobachten wir in der Praxis ein Gegenseitiges ignorieren. Nichts passiert! Beide gehen sich aus dem Weg und erstarren, sobald der neue Partner auch nur in die Richtung schaut. Herrlich! Nach ein paar Tagen nähert man sich an, trifft sich zufällig am Futterplatz und stellt fest, der andere ist eigentlich ganz nett und will nichts Böses. Vergesellschaftung Fertig!
Fall B: Dominant trifft unterwürfig
Problemlos erweist sich auch die Vergesellschaftung von einem unterwürfigen und einem dominanten Kaninchen. Der dominante Part wird das Zepter ergreifen und etwa 30 Minuten nach erster Begegnung eine Verfolgung starten. Die Praxis zeigt, dass der erste Tag intensiv gejagt wird. An den Folgetagen nimmt das Jagtverhalten sukzessiv ab. Nach durchschnittlich 5 bis 7 Tagen ist die Vergesellschaftung der Kaninchen beendet.
Fall C: Dominant trifft dominant
Zwei dominante Kaninchen aufeinander treffen zu lassen, erfordert vom Halter ein stärkeres Nervenkostüm. Hier wird intensiv gejagt und Fell verloren. Auch wenn die Vergesellschaftung besorgniserregend aussehen mag, solange keine ernsthaften Bissverletzungen entstehen, sollten Sie unbedingt die Situation durchstehen. Kontrollieren Sie mehrfach beide Tiere auf Bissverletzungen. Die Vergesellschaftung sollte nicht abgebrochen und neu gestartet werden, wenn keine Verletzungen vorliegen. Trennen Sie die Tiere nicht ohne Grund oder aus falschem Mitgefühl – auch nicht nachts sondern lassen Sie das Paar in Spee zusammen. Die beiden Wissen was Sie tun – Ihre Aufgabe ist es, das Geschehen zu beobachten, die Nerven zu bewahren und nach Bissverletzungen zu untersuchen. Wenn Sie Bissverletzungen feststellen, ziehen Sie den Tierarzt sowie eine weitere Person hinzu, die als Vergesellschaftungsexperte eines Kaninchenschutz-Teams bekannt ist. Hier werden Sie kostenlos Rat auf Basis von viel Erfahrung finden. Nach etwa 2 – 3 Wochen sollte die Vergesellschaftung abgeschlossen sein.
Fall D: Großgruppe
Treffen mehrere Tiere in einer Gruppe aufeinander, gelten die selben genannten Regelungen. Eine Gruppenvergesellschaftung dauert stets länger, als eine Paarvergesellschaftung. Rechnen Sie bei einer 3er oder 4er Gruppe mindestens mit einem Monat. Natürlich kann bei unterwürfiger Konstellation die Vergesellschaftungszeit in Einzelfall deutlich unterschritten werden. Auch Jungtiere haben in einer Kindergartengruppe die Vergesellschaftung in wenigen Stunden abgeschlossen.
Gibt es einen Jungtierbonus?
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Ja, den gibt es, gewiss! Jedoch handelt es sich hierbei nicht um einen Welpenschutz, wie vielfach angenommen wird. Die Jungtiere sind nicht in der Pubertät und haben das Dominanzverhalten noch nicht ausbildet. Entsprechend erfolgt keine Reaktion des Jungtieres auf das Dominanzverhalten des erwachsenen Tieres. Die Vergesellschaftung fällt gerne aus. Erwachsene Tiere sind für Jungtiere eine große Bereicherung. Als Erziehungsberechtigte bringen Sie dem Nachwuchs Kaninchenverhalten bei. Das ist wichtig, wenn die Tiere vor der 12ten Woche von den Eltern getrennt wurden. Gerade mit dieser Form der Vergesellschaftung haben wir in unserer Pflegestelle viel Erfahrung und stehen bei Fragen beratend zur Seite.
Zu beachten ist,dass Sie kein Jungtier zu einem ausgeprägt dominanten erwachsenen Kaninchen setzen sollten. Die Jungtiere haben noch eine dünne Haut, die schnell verletzt werden kann. Sollte es sich bei dem erwachsenen Tier um einen unterwürfigen, ängstlichen und ruhig-gemütlichen Partner handeln, können Sie die Vergesellschaftungssituation eingehen – seinen Sie aber die gesamte Zeit dabei und brechen Sie sofort am, wenn die Situation für das Jungtier bedrängend wird.
Geschlecht berücksichtigen
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Wenn Sie unerwartet zu einem neuen Partnertier kommen, sollten Sie den Zwerg zunächst einmal umdrehen! Falls Sie zwei prächtige Glöckchen anstrahlen, sollten Sie unverzüglich einen Kastrationstermin vereinbaren und die Vergesellschaftung um 6 Wochen verschieben.
Fall A: Männchen trifft Weibchen
Grundlegend ist eine Konstellation Männchen – Weibchen die beste Variante. Die gemischtgeschlechtliche Vergesellschaftung gelingt uns in nahezu allen Fällen.
Fall B: Männchen trifft Männchen
Auch zwei kastrierte Rammler können gut miteinander auskommen und sich schätzen und pflegen.
Fall C: Weibchen trifft Weibchen
Die ausschließliche Weibchen Vergesellschaftung ist auch möglich, jedoch die Variante, die am wenigsten zu bevorzugen ist. Insbesondere wenn es sich um Jungtiere handelt, kann das harmonische Zusammenleben mit Eintritt in die Pubertät gestört werden. Sie können ab dato zwei „Zicken“ vorfinden. In diesem Fall empfehlen wir die Hinzunahme eines oder zweier kastrierter Rammler – möglichst dominant, der/die sicherlich Harmonie in die Damengruppe bringen wird.
Fall D: Großgruppe
Bei größeren Gruppen, Geschwistergruppen oder Jungtiergruppen – unseren sogenannten Kindergartengruppen – ist das Geschlecht zweitrangig. Grundsätzlich empfiehlt sich ein Überschuss an Kastraten.
Vergesellschaften Sie niemals unkastrierte Rammler. Es kann zu ernsthaften Verletzungen kommen, die bis zum Tode führen können. Grundsätzlich sollten zur erfolgreichen Vergesellschaftung mit einem harmonischen Ergebnis, alle Rammler mindestens 4 Wochen kastriert sein. In der Zeit nach der Kastration werden die Hormone abgebaut, so dass jeder Tag der verstreicht, die Vergesellschaftung tendenziell ruhiger werden lässt. Nehmen unkastrierte Weibchen an der Vergesellschaftung teil, sollte die 6 wöchige Kastrationsfrist eingehalten werden, um ungewollten Nachwuchs zu unterbinden.
Die Rasse ist nicht unbedeutend
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Wir werden häufig gefragt, ob die Rasse für die Vergesellschaftung von Bedeutung ist und beantworten dies mit einem „Jein„. Im Regelfall ist die Vergesellschaftung von Kaninchen einer größeren Rasse einfacher. Setzen Sie zwei Riesen zusammen – zumeist dauert die Vergesellschaftung nur Minuten – dann ist man fertig und geht zum gemeinsamen Fressen über.
Versuchen Sie dies mit Wildmixen – Sie können von einer Vergesellschaftungsdauer von rund 6 Monaten ausgehen. Für unerfahrene Kaninchenhalter, die sorgenvoll der Vergesellschaftung entgegen sehen, empfehlen wir Riesen. Die Großen sind herrlich unkompliziert und gemütlich.
Spielt die Größe eine Rolle?
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Haben Sie keine Angst vor Größenunterschieden in der Vergesellschaftung! Weder Größe noch Aussehen haben einen Einfluss auf den Erfolg einer Vergesellschaftung. Sie können unbedenklich einen Zwerg zu einem Riesen setzen. Im Regelfall wird der Riese sich dem Zwerg unterwerfen. Der Zwerg wird den Riesen jagen – achten Sie daher auf das Wohlergehen des Großen.
Kaufen Sie kein Tier beim Züchter!
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Kaufen Sie kein Tier bei einem Züchter sondern fahren Sie Tierheime und Pflegestellen ab. Züchter trennen aus wirtschaftlichem Interesse die Tiere häufig bereits nach 6 Wochen vom Muttertier. Um ein Kaninchen ausreichend zu sozialisieren, sollte es mindestens bis zur 12ten Woche bei der Mama bleiben. In unserer Pflegestelle halten wir die Tiere 16 Wochen um sicher zu gehen, dass alle wesentlichen Verhaltenselemente erlernt werden.
Diese Tiere, die unserer Kindergartengruppe entstammen sind überaus gut sozialisiert und werden bei der Vergesellschaftung keine Probleme bereits. Insofern Kaninchen zu früh von der Mama getrennt werden, kann es im späteren Leben zu Verhaltensauffälligkeiten bei der Vergesellschaftung bekommen.
Gesundheitsfragen vor und während der Vergesellschaftung
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Wenn Sie ein neues Kaninchen in Empfang nehmen, sollten Sie zunächst 14 Tage Quarantäne einhalten, insofern es nicht aus dem Tierheim oder einer Pflegestelle entstammt. Ihr erster Gang sollte zum Tierarzt sein, um die Untersuchung vorzunehmen und den RHD2, RHD1 und Myxomatose Impftermin zu vereinbaren.
Geben Sie unbedingt dabei eine Kotprobe, gesammelt über 3 Tage ab. Insbesondere Züchtertiere bringen häufig blinde Passagiere mit – sei es Würmer, Kokzidien oder Milben. Schützen Sie dadurch Ihr eigenes Tier! Insbesondere bei Jungtieren ist die Kotprobe essentiell wichtig. Kokzidien sind die häufigste Todesursache bei Kaninchen. Im Gegensatz zur allgemeinen Annahme, gehen diese nicht Zwangsläufig mit Durchfall einher. Im Zuge einer Vergesellschaftung reichern sich die Kokzidien durch den Streß, im Organismus an. Im schlimmsten Fall wird die Vergesellschaftung durch hochgradige Kokzidien zum Tode des Tieres führen. Nehmen Sie die Kotprobe daher unbedingt zum Tierarzt mit!
Überhaupt sollten Sie nach der Impfung ein paar Tage warten, bis der Körper des Kleinen sich von der Impfung erholt hat. Schicken Sie ihn nicht frisch geimpft in die Vergesellschaftung. Auch wir Menschen vertragen eine Impfung mehr oder weniger gut. Übertragen Sie daher Ihre Impferfahrung und geben Sie den Kleinen zeit, sich davon zu erholen.
Ebenfalls sollten Sie nicht mit frischer Kastrationswunde in die Vergesellschaftung gehen. Die Wunde benötigt mindestens 5 Tage, um ordnungsgemäß zu verheilen.
Umgebungsfaktoren
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Die Umgebungsfaktoren spielen bei einer Vergesellschaftung eine gewisse Rolle. Häufig liest man von einem neutralen Raum. Das ist der Idealfall, in der Praxis jedoch nicht immer umsetzbar. Sicherlich ist es von Vorteil, das Gehege mit Essigwasser oder Pfefferminztee zu reinigen und umzubauen. Jedoch, in dielen Außengehegen gestaltet sich das oftmals schwierig. In der Praxis müssen wir häufig auf das bestehende Gehege zurückreifen. Dramatisch ist das aber nicht, wenn ausreichend Platz zur Verfügung steht. In einer Zweier-Konstellation sollten wir auf 6 – 8 qm mindestens zurückgreifen können. Bei größeren Gruppen ist der Platzbedarf weiter erhöht.
Wichtig ist, alle Einbahnstraßen zu eliminieren und Häuschen mit 2 Ausgängen als Unterschlupf anzubieten. Diese stellen Orte zum Ausruhen der Tiere dar. Hängen Sie Gitterelemente mit Tüchern oder Decken ab, damit die Kleinen mit den Füßchen nicht hängen bleiben. Ferner, Liebe geht durch den Magen – verteilen Sie im Gehege Leckerli!
Die Nerven des Halters
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Der einflussreichste Faktor, der eine Vergesellschaftung scheitern lässt, ist der Halter. Üben Sie sich in Geduld und bewahren Sie die Nerven. Gut Ding will Weile haben. Die Praxis lehrt, Geduld, es wird!
Fellverluste gehören dazu. Dies ist kein Indikator für das Scheitern einer Vergesellschaftung. Achten Sie am ersten Tag auf mögliche Bissverletzungen. Setzen Sie sich mit einer Tasse Kaffee ins Gehege und beobachten Sie das Geschehen für ein paar Stunden intensiv. Untersuchen Sie die Tiere mehrfach nach Bissverletzungen. Falls keine Auftreten können Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die Vergesellschaftung funktioniert. Nach einigen intensiven Stunden der Beobachtung gehen Sie am besten ins Kino. Die Kaninchen machen den Rest.
Solange es nicht zu nennenswerten Verletzungen kommt, die Tiere sich nicht verkeilen und kein Kaninchen schreit, ist kein Grund zum Eingreifen gegeben. Vor allem – nicht Trennen! Auch nicht nachts.
Halten Sie zur Wunddesinfektion:
- Betaisodona,
- Manuka Honig Wundsalbe und
- Optisept bereit.
Kleinere Bissverletzungen sind normal und treten bei einer Vergesellschaftung für gewöhnlich auf. Wichtig ist, diese Wunden zu behandeln, um Abszesse zu vermeiden, die sich hartnäckig aus einer kleinen Wunde entwickeln können.
Falls Sie aufgrund der Dominanz eine intensive Vergesellschaftung erwarten, können Sie mit Bachblüten und Rescue Tropfen arbeiten – für die Kaninchen – sowie ein Löffelchen für den Halter selbst.